Dr. Roman Mauer

MA S. Mediale Dramaturgien: Was wäre, wenn...? Die kontrafaktische Erzählung als Gedankenexperiment

Dozent:innen: Dr. Roman Mauer
Kurzname: S MedialDrama
Kurs-Nr.: 05.658.19_580
Kurstyp: Seminar
Format: online

Empfohlene Literatur

Zur Einführung:

  1. Bordwell, David: Film Futures. In: SubStance 31,1 , 2002, S. 88-104. 
  2. Branigan, Edward: Nearly True: Forking Plots, Forking Interpretations. A Response to David Bordwell’s ‘Film Futures’. In: SubStance 31,1 , 2002, S. 105-114. 
  3. Buckland, Warren (ed.): Puzzle Films: Complex Storytelling in World Cinema. New York: Blackwell 2009.
  4. Diffrient, David Scott: Alternate futures, contradictory pasts: Forking paths and cubist narratives in contemporary film. In: Screening the Past, 20, 2006,
  5. Elsaesser, Thomas: Was wäre, wenn du schon tot bist? Vom ,postmodernen‘ zum ,post-mortem‘-Kino am Beispiel von Christopher Nolans Memento. In: Schenk, Irmbert (...) (Hrsg.): Zeitsprünge. Wie Filme Geschichte(n) erzählen. Berlin: Bertz + Fischer 2004, S. 115-125.
  6. Elsaesser, Thomas: Hollywood heute. Geschichte, Gender und Nation im postklassischen Kino. Berlin: Bertz + Fischer 2009, v.a. S. 237-263.
  7. Evans, Richard J.: Veränderte Vergangenheiten. Über kontrafaktisches Erzählen in der Geschichte. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014.
  8. Geier, Manfred: Fake. Leben in künstlichen Welten. Mythos, Literatur, Wissenschaft. Reinbek: Rowohlt 1999.
  9. Haupts, Tobias: Die schlechteste aller möglichen Welten. Alternate History und The Man in the High Castle. In: Reinhold Viehoff, Thomas Wilke (Hrsg.): SPIEL. Neue Folge. Eine Zeitschrift zur Medienkultur Peter-Lang-Verlagsgruppe) Nr. 2/2016, S. 147–166.
  10. Kratochwill, Kerstin / Almut Steinlein (Hrsg.): Kino der Lüge. Bielefeld: transcript 2004.
  11. Linge, Friederike: Mindgame Films. Dekonstruktion der klassischen Erzählweise am Beispiel von Tom Tykwers Film „Lola rennt“. Diplomarb. Wien, 2010.
  12. Röwekamp, Burkhard: Vom film noir zur méthode noire. Die Evolution filmischer Schwarzmalerei. Marburg: Schüren 2003.
  13. Schmöller, Claudia: Was wäre, wenn...im Film. Spielfilme mit alternativen Handlungsverläufen. Marburg  2012. 

Inhalt

Es heißt, jeder Mensch träfe 100.000 Entscheidungen pro Tag. Oftmals spielen wir vorher gedanklich die verschiedenen Auswirkungen durch. Und im Rückblick fragen wir uns manchmal: Was wäre, wenn wir an einem bestimmten Punkt des Lebens den anderen Weg eingeschlagen hätten? Wie sähe dieses alternative Leben aus, das uns nun im Geiste  begleitet - wie eine zweite Version unserer selbst?

Nicht anders geht es Drehbuchautor*innen: Sie müssen sich an jedem Wendepunkt ihres Plots zwischen Handlungsalternativen entscheiden und spielen verschiedene Entwürfe (Drafts) durch. Manchmal erzählen Sie dem Zuschauer sogar diese alternativen Verlaufsformen eines Plots - im sogenannten Gabelungsfilm, der seit 30 Jahren Konjunktur hat.   

Parallelwelten zu konstruieren, alternative Entwürfe der Wirklichkeit, der Historie, der Identität oder eines Plots, entspricht einem anthropologischen Grundbedürfnis, durchzieht die Kulturgeschichte seit der Antike und ist mit der Postmoderne zur beliebten narrativen Strategie geworden. Das Prinzip des Möglichen (Possibilität) kann als wissenschaftliches oder künstlerisches Gedankenexperiment genutzt  werden, um Utopien zu entwickeln, Hypothesen aufzustellen, kennzeichnet aber auch die irrationale Konstruktion von Verschwörungstheorien. Während einerseits die Geschichtswissenschaft überlegt, was passiert wäre, wenn Nazideutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte (kontrafaktische Geschichtschreibung als Methode) und Romane oder Filme diese Alternativweltgeschichte ausfabulieren, gibt es  Verschwörungstheoretiker, die tatsächlich glauben, dass Adolf Hitler das Jahr 1945 überlebt habe. 

Wir möchten im Seminar ein Spektrum narrativer Possibilität und Parallelität abbilden und kontrafaktischen Erzählformen als Dramaturgien des Konditionalis nachgehen: Was ist, wenn der Film parallele Versionen eines Plots erzählt? (Forking-Path-/Multi-Draft-Narration) Oder eine alternative Version der Historie? (Alternate History) Oder eine Zukunftsversion der Vergangenheit weiterführt? (Retrofuturismus) Was ist, wenn sich ein Spielfilm als Dokumentarfilm tarnt und somit Fiktion als Realität ausgibt (Fake Documentary) oder sich Künstler eine  andere Identität zulegen, um mit versteckter Kamera zu ermitteln? (Undercover-Journalismus, Fake-Identitäten) Lässt sich also die Lüge nutzen, um die Wahrheit aufzudecken? Was wäre, wenn es im Zweiten Weltkrieg oder beim Fall der Mauer bereits Instagram gegeben und junge Frauen ihr Schicksal mit dieser App dokumentiert hätten? (Instagram-Storytelling) Was wäre, wenn der Protagonist als Erzählinstanz bereits tot ist, paranoid oder schizophren  - und somit die gesamte Geschichte unter falschen Vorzeichen steht? (Mindgame-Movies, Unzuverlässiges Erzählen) 

Die Beschäftigung mit diesen Formen birgt die Chance, sich über narratologische Theorien und dramaturgische Traditionen der Komplexität zu verständigen, zugleich interdisziplinäre Verbindungen zu anderen geisteswissenschaftlichen Bereichen herzustellen.    
 
 
 

Termine

Datum (Wochentag) Zeit Ort
15.04.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
22.04.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
29.04.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
06.05.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
20.05.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
27.05.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
10.06.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
17.06.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
24.06.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
01.07.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
08.07.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online
15.07.2021 (Donnerstag) 12:15 - 13:45 Online