Ein Erfahrungsbericht
1. Vorbereitung
Im vergangenen Januar entschloss ich mich relativ kurzfristig zu einem Erasmus-Jahr in Valencia – nach einer Rundmail, dass dort noch Plätze verfügbar seien. Ursprünglich wollte ich nur ein Semester dorthin gehen und wollte mich entsprechend für sechs Monate bewerben, allerdings mit der offenen Option, ein weiteres Semester in Spanien zu verbringen. Eine Verlängerung des Erasmus-Aufenthaltes sei aber sehr schwierig, weswegen mir geraten wurde, mich direkt für beide Semester zu bewerben – was ich dann auch getan habe – und dann gegebenenfalls meinen Aufenthalt abzubrechen. Ein ganzes Studienjahr halte ich für prinzipiell deutlich besser, da man so ausreichend Zeit hat, sich zu akklimatisieren, in die Sprache und Kultur hineinzufinden und so mehr aus dem Aufenthalt herausholen kann. Außerdem ist nur das Wintersemester – die Vorlesungszeit geht von September bis Dezember, die Prüfungsphase ist im Januar – sehr kurz.
Spanisch konnte ich zum Zeitpunkt der Bewerbung nicht sprechen. Ich hatte allerdings bereits einen Platz im Intensivkurs für das A1-Niveau im März. In Absprache mit der Erasmus-Koordinatorin meiner Fachrichtung war der Plan, dass ich diesen belege, im darauffolgenden Semester A2 mache und darauf hoffe, dass ein B1-Intensivkurs während des Sommers angeboten wird. Dieser fand allerdings erst im September statt, so dass ich ihn nicht mehr besuchen konnte und ich letztlich mit A2 nach Spanien ging – das Niveau reicht aus, um in Spanien zu überleben, aber nicht, um Vorlesungen und Seminaren zu folgen.
Ich studiere in einem Doppelstudium Germanistik und Filmwissenschaft als Hauptfach sowie Geschichte im Beifach, entsprechend ist mein Stundenplan meist ziemlich voll und ich hatte auch zum Zeitpunkt meiner Abreise einige offene Hausarbeiten. Diese erst ein Jahr nach Seminarende zu schreiben, ist zwar nicht optimal, stellt aber von Seiten des Prüfungsamtes (zumindest des Fachbereiches 05) kein Problem dar, solange die entsprechenden DozentInnen damit einverstanden sind.
Möglicherweise war es ein wenig fahrlässig, eine spezielle Auslandskrankenversicherung habe ich allerdings nicht abgeschlossen. In meiner zweiten Woche in Valencia habe ich mir eine Mandelentzündung eingefangen, weswegen ich zur universitären Krankenstation ging – ich hoffte, dort eher auf englischsprachige Ärzte zu treffen als in einem richtigen Krankenhaus, was jedoch ein Irrtum war – dort wurde die europäische Krankenkarte akzeptiert und ich erhielt außerdem kostenlose Medikamente (ich glaube allerdings, dass die Gratis-Medizin kein Standard ist!). Ein weiterer Arztbesuch war nicht nötig.
2. Unterkunft
Ich wollte nur sehr ungern eine Wohnung übers Internet anmieten – erst recht nicht in einem fremden Land – ohne sie vorher persönlich gesehen zu haben. Und so habe ich mir ein Bett in einem Hostel für zwei Nächte gebucht, um dann direkt vor Ort auf Wohnungssuche zu gehen.
Ein Vorgehen, das mir von andern ehemaligen Erasmus-Studenten so empfohlen wurde und was ich auch weiterempfehlen würde. Ich war im Youth Hostel, das direkt im Zentrum liegt und mit etwa 11 Euro pro Nacht ziemlich günstig ist. Dort bin ich Sonntagabend angekommen und habe etwa ein Dutzend Vermieter über die Website www.idealista.com per E-Mail angeschrieben. Das ist eine eher suboptimale Art der Kommunikation. Wie mir später gesagt wurde, reagieren die Spanier kaum auf E-Mails, es wird hauptsächlich über WhatsApp geschrieben. Die einzige Antwort, die ich bekam, hat aber gereicht. Wir haben direkt für Montagnachmittag eine Besichtigung verabredet und am Dienstagmorgen bin ich eingezogen.
Die Wohnung befand sich in sehr guter Lage in einer Parallelstraße des Blasco Ibañez, mehr oder weniger der zentrale Ort für das studentische Leben. Mit dem Fahrrad unter zehn Minuten bis zu meiner Fakultät und etwa 15 bis zum Strand, drei Supermärkte in unmittelbarer Nähe sowie zahlreiche Kneipen und Restaurants. Sie hatte eine relativ große Küche, ein Wohnzimmer, zwei Badezimmer und bot Platz für fünf Bewohner. Mietpreis waren 160 Euro monatlich für das etwa 15 m² große Zimmer, hinzu kamen Fixkosten von zwölf Euro fürs Internet sowie sechs Euro für eine Putzfrau, die einmal die Woche die Gemeinschaftsräume reinigte. Je nach Verbrauch wurden noch Strom und Gas fällig. Insgesamt zahlte ich um die 200 Euro, nie mehr als 230 Euro.
3. Studium
Ich bin über mein zweites Studienfach Filmwissenschaft nach Valencia gegangen und habe dort das spanische Äquivalent, Comunicación Audiovisual, studiert. Wegen meiner eher begrenzten Spanischkenntnisse wollte ich vorzugsweise Kurse besuchen, bei denen ich schon ein wenig Ahnung hatte, um mich dann besser an einzelnen Stichpunkten entlanghangeln zu können, was relativ gut funktioniert hat. Außerdem habe ich mich noch für praktische Kurse einschreiben wollen, da das Studium an der JGU in meiner Fachrichtung sehr theoretisch ist. In meinem ersten Semester habe ich fast ausschließlich Seminare meines eigentlichen Studiengangs besucht (eines noch über Journalismus, allerdings auch mit dem Fokus auf Film), die alle auf Spanisch waren, im zweiten habe ich mich dann auch für zwei Kurse über englische und deutsche Literatur, angeboten in der jeweiligen Sprache, angemeldet.
Erasmus-Studenten bekamen für die Kurs-Anmeldung einen Termin etwa zwei Wochen nach Semesterbeginn, an dem sie ihre Kurse im Sekretariat eintragen lassen mussten. Soweit ich das verstanden habe, herrscht hier das "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst"-Prinzip. Es gibt eine gewisse Kapazität an Plätzen, die an die vergeben werden, die als erstes sich einschreiben können. Ich persönlich bin für einen Kurs abgelehnt worden, was einem noch die Option ließ, den Dozenten persönlich um die Erlaubnis zu bitten, den Kurs noch besuchen zu können.
Im Vergleich zu Filmwissenschaft ist Comunicación Audiovisual, wie der Name es schon sagt, breiter und facettenreicher, aber auch praktischer aufgestellt. So hab ich beispielsweise einen sehr guten Fotografie-Kurs (etwa 1/3 Theorie, 2/3 Praxis) besucht, diverse interdisziplinäre Seminare über Literatur und Film sowie einen Kurs, bei dem die Produktion eines Kinofilms sehr praxisnah simuliert wurde, d.h. Drehorte gesucht, Budgets veranschlagt wurden usw. Insgesamt denke ich, davon sehr profitiert zu haben. Allerdings muss man auch dazu sagen, dass die Qualität der einzelnen Veranstaltungen sehr schwankend ist. Ich habe das Gefühl, dass das durchschnittliche Niveau, insbesondere der theoretischen Veranstaltungen, in Deutschland deutlich höher ist als in Spanien.
Lediglich das im Durchschnitt ziemlich niedrige Englisch-Niveau hat mich ein wenig überrascht. Die Mitarbeiter in den verschiedenen Büros, auch im Oficina Internacional, waren zwar schon beinahe leidenschaftlich hilfsbereit, sprachen aber kaum Englisch. Und einige Dokumente der Universität wurden auf Valencian, eine Variation des Katalanischen, herausgegeben.
Über die Anerkennung der Leistungen kann ich noch nichts sagen.
4. Freizeit und Alltag
Mit das Wichtigste für das alltägliche Leben dürfte erst einmal ein internetfähiges Handy samt SIM-Karte sein. Ich hab mir eine von YOIGO geholt, bei der ich für 8,50 Euro im Monat ein halbes Gigabyte Datenvolumen bekam. Die Preise für Anrufe und SMS sind zweitrangig, beinahe alles läuft über WhatsApp. Im vergangenen Jahr habe ich kaum mehr als eine Handvoll an regulären Anrufen getätigt.
Praktisch ist auch Valenbisi, dem Mainzelrad sehr ähnlich. Für etwa 30 Euro im Jahr kann man sich hier eine Karte kaufen, die einem Zugriff auf die zahlreichen Fahrradstationen gibt. Die erste halbe Stunde der Fahrt ist frei, anschließend sind es, ich glaube, 50 Cent für jede weiteren dreißig Minuten. Valenbisi-Stationen sind in der ganzen Stadt verteilt und etwa alle dreihundert Meter zu finden.
Preislich befinden sich die Supermärkte in etwa auf deutschem Niveau, wobei ich da das Gefühl hatte, das Obst und Gemüse verhältnismäßig deutlich billiger, Fertigprodukte und Süßigkeiten teurer sind. Restaurants und Kneipen sind aber – wenn man nicht gerade in Touristenmetropolen unterwegs ist – ziemlich günstig.
Das spanische Leben läuft generell deutlich langsamer und gemächlicher als in Deutschland ab. Pünktlichkeit hat keinen übermäßig hohen Stellenwert, zwanzig bis dreißig Minuten Verspätungen sind normal, alles wirkt ein wenig entspannter und persönlicher. Unterschiedlich sind auch die Essenszeiten, so gibt es das Abendessen nicht vor neun. Die Spanier essen zudem sehr viel Fleisch. Ich selbst bin zwar kein Vegetarier, mir wurde aber von welchen erzählt, dass in einem Restaurant bei den vegetarischen Gerichten häufig Thunfisch enthalten sei und man explizit sagen müsste, diesen nicht zu wollen.
Von der Universität werden diverse Tagestrips zu Städten und Orten innerhalb der Provinz Valencias angeboten, beispielsweise zum sehr schönen Nationalpark Albufera oder nach Chelva, einem beschaulichen Städtchen, das sich auch als sehr gut als Ausgangspunkt für Wanderungen eignet. Diese Trips kosten jeweils zwanzig Euro und beinhalten neben der Anreise noch ein örtliches Mittagessen sowie Führungen und Eintrittskarten durch lokale Sehenswürdigkeiten.
5. Fazit
Ich denke, insgesamt hat mich das eine Jahr in Valencia deutlich weiter gebracht. Fachlich und universitär, vor allem durch die größere Vielfalt und Praxisnähe, auch sprachlich, sowohl im Englischen als auch im Spanischen, insbesondere aber menschlich. Alleine in einem fremden Land zu wohnen und dort zurechtkommen zu müssen und zu sehen, dass man das kann, ist noch einmal eine ganz andere Erfahrung, als wenn man innerhalb Deutschlands in eine neue Stadt zieht und/oder das Elternhaus verlässt. Ich denke, mich in den vergangenen zehn Monaten weiterentwickelt zu haben, bereue den Aufenthalt absolut nicht, kann es jedem nur weiterempfehlen und überlege, bei einem späteren Master diese Erfahrung noch einmal zu wiederholen.