Dissertationsprojekt Jakob Larisch

Die politischen Hintergründe filmischer Gewaltdarstellung im Spannungsfeld von Kunstfreiheit und deren rechtlicher Beschränkung

Die Darstellung von Gewalt in Filmen ist ein gesellschaftlich häufig kontrovers diskutiertes Thema und lässt sich im Rahmen eines komplexen Geflechtes zwischen Medien, Politik, Konsumenten sowie den Interessen von Kunstfreiheit, Zensurverbot und Jugendschutz verorten. Die Bundesrepublik Deutschland besitzt dabei hinsichtlich der juristischen Grundlagen einer öffentlichen Zugänglichmachung von Filmen im europäischen Vergleich eines der kompliziertesten und zugleich striktesten rechtlichen Fundamente. Neben den bekannten Altersfreigaben besteht nicht nur die rechtliche Möglichkeit, die Verfügbarkeit bestimmter Filme im Rahmen einer Indizierung wegen potenzieller Jugendgefährdung auch für Erwachsene stark einzuschränken, zudem können Spielfilme darüber hinaus in Deutschland aus strafrechtlichen Gründen (im Allgemeinen wegen Gewaltdarstellung) verboten werden; obwohl es sich um Werke der Fiktion handelt, welche in anderen Ländern meist frei verfügbar sind.

Ein entsprechendes Verbot wird in Bezug auf gewalthaltige Filme von Politik und Medien häufig im Zusammenhang mit realen Gewaltverbrechen gefordert, da entsprechende Werke in teils mehr, teils minder hohem Maße zumindest indirekt für derartige Geschehnisse verantwortlich gemacht werden. Doch der hierbei konstruierte Kausalzusammenhang greift zu kurz, zumal es sich bei einem entsprechenden Filmverbot um einen Akt von präventivem Charakter handelt. Nicht nur unterstellen viele einem Verbot zugrunde liegende Gerichtsurteile implizit eine generelle Schädlichkeit filmischer Gewaltdarstellung, zudem verweigern sie den entsprechenden Filmen philosophische oder (gesellschafts-)politische Lesarten. Dass die künstlerische Möglichkeit filmischer Gewaltdarstellung besteht, wird nicht als Errungenschaft der mit einem demokratischen System einhergehenden Kunstfreiheit wahrgenommen, sondern eher als politisch-juristisches Ärgernis.

Die rechtliche Bewertung filmischer Gewaltdarstellung wurde bislang stets entweder aus juristischer Sicht oder aus dem Blickwinkel der Medienwirkungsforschung untersucht. Die Arbeit will diesen Perspektiven diejenige der Filmwissenschaft hinzufügen und die rechtlichen Voraussetzungen wie auch deren Anwendung reflektieren und hinterfragen. Ausgangspunkt hierfür sind konkrete, in Deutschland aus Gründen der Gewaltdarstellung als strafrechtlich relevant eingestufte und folglich verbotene Spielfilme. Die Gründe für diese Verbote werden einer filmwissenschaftlichen Analyse und filmhistorischen Kontextualisierung entgegengestellt und hermeneutisch geprüft. Auch soll es darum gehen, wiederkehrende Argumentationsmuster aufzudecken und zu kategorisieren, um so dem mit einem Verbot meist einhergehenden Vorwurf einer Gewaltverherrlichung zu begegnen und die häufig generalisierend negative Voreingenommenheit gegenüber den entsprechenden Werken entkräften zu können.

Der Ruf filmischer Gewaltdarstellung soll damit gerade im Hinblick auf das in diesem Kontext sehr unnachsichtig agierende deutsche Strafrecht in gewisser Weise rehabilitiert werden, indem ihre produktive Seite für eine gesellschaftliche Selbstwahrnehmung herausgestellt wird, denn sie kann dazu beitragen, die ideologischen Hintergründe des eigenen Daseins zu hinterfragen. Der allgemeine Diskurs muss sich dringend von der vermeintlich klaren Kausalkette entfernen, dass gewalttätige Filme zu einer gewalttätigen Gesellschaft führen. Die Arbeit sieht sich als ein Beitrag zur Akzeptanz eines aufklärerischen Impetus, der für ein gesellschaftliches Konzept wirbt, auf dessen Fundament sich Energie in die Ausbildung von Medienkompetenz investieren ließe, um einen permanenten Dialog über Ursache und Wirkung realer wie fiktionaler Gewalt zu führen.

 

Erstgutachterin: Univ.-Prof. Dr. Oksana Bulgakowa (Filmwissenschaft)

Zweitgutachter: Prof. Dr. Murad Erdemir (Rechtwissenschaft, Uni Göttingen)