Gefördert von Promos und organisiert mit Dialog – Die Bildungsstätte für interkulturelle Begegnungen
Dienstag, 02.01.2018
Abflug vom Frankfurter Flughafen – Dienstag, der 2.1., nicht um 10:15 Uhr, sondern um 10:45 Uhr. Alle sind gut drauf und gespannt darauf, was sie erwarten wird ...
Am Flughafen werden wir von Michael Schwennen (Dialog – Die Bildungsstätte für interkulturelle Begegnungen) in Empfang genommen, er wird uns die nächsten Tage begleiten. Bald duzen wir uns alle, denn Michael informiert uns: „Alle duzen sich in Israel“ – ab geht’s im großen Reisebus gen Tel Aviv ins Hotel Golden Beach, direkt am Goldenen Strand und der Promenade zum Flanieren.
Der weiße Sand ist wundervoll und nach dem üppigen Abendbrot und der Zimmerverteilung schreiten einige von uns barfuß darüber.
Nach einem weiteren Spaziergang auf der Allenby Straße und einem späten Cappuccino an der Straße fallen wir müde ins Bett und freuen uns auf einen spannenden und abwechslungsreichen Aufenthalt in Israel.
Mittwoch, 03.01.2018
Der erste Morgen in Tel Aviv, Israel. Nach dem Frühstück im Hotel steht in dessen Lobby um 9:00 Uhr der erste Programmpunkt des Tages an. Die 16 Teilnehmer_innen des Austausches werden von der Gründerin des israelischen Austauschpartners Bildungsstätte Dialog, Hanna Tidhar, begrüßt. Sie erzählt über das Leid und die Gräuel, die ihr im Holocaust zugestoßen sind. Im Gespräch mit uns berichtet sie über die Vertreibung aus ihrem rumänischen Heimatdorf und die Verschleppung ins Arbeitslager Ovodovka durch das nationalsozialistische Regime im Jahr 1942, die sie aufgrund ihrer jüdischen Abstammung und trotz ihres jungen Alters hat erleiden müssen. Durch ihre ruhige und freundliche Art haben wir einen sehr direkten Zugang zu den Geschehnissen und können eine Ahnung der Ausmaße der damaligen Gräueltaten gewinnen.
Im Anschluss beantwortet Hanna einem Teil der Studiengruppe weitere Fragen über die Umstände ihrer Vertreibung, die Zustände im rumänischen Arbeitslager, die aktuelle Sicht auf den Holocaust im heutigen Staat Israel, weitere persönliche Dinge aus ihrer Gefangenschaft und ihren späteren Neuanfang als Jugendliche in Israel. Sie erklärt sich dankenswerterweise bereit, das Gespräch von uns aufzeichnen zu lassen. Die Aufnahmen werden in naher Zukunft als Videopodcast veröffentlicht.
Nach dem Vortrag geht es mit gepackten Sachen auf die erste Exkursion. Ziel ist die Hochschule Beit Berl, auf deren Campus israelische und arabische Studierende zusammen lernen und arbeiten. Mit dem Linienbus geht es zum Bahnhof, an dem sich alle Kursteilnehmer_innen langsam daran gewöhnen, dass sie vor Betreten von schwerbewaffneten Soldaten kontrolliert werden. Doch auch wenn die umgehängten Maschinenpistolen zunächst abschreckend wirken mögen, so bekommt man doch schnell das Gefühl, dass es sich lediglich um eine der alltäglichen Sicherheitsmaßnahmen handelt und dass es keinen Anlass zur Beunruhigung gibt.
Die nächste Überraschung erwartet uns in der Bahn: Das Interieur und auch das äußere Erscheinungsbild erinnern verdächtig an deutsche Regionalbahnen und unser Guide Michael Schwennen kann auch gleich aufklären, warum: Der Hersteller Bombadier beliefert sowohl Deutschland als auch Israel, da die Schienen dieselbe Breite haben. Jedenfalls fühlt man sich so gleich heimisch auf der rund halbstündigen Bahnfahrt.
Mit etwas Verspätung kommt die ganze Gruppe auf dem Campus des Beit Berl Colleges an und wird dort von der Kunstfakultät und deren 1998 gegründeter Film-Abteilung in Empfang genommen. Nachdem uns der Studiengang Film vorgestellt worden ist, sehen wir eine studentische Produktion, die im Vorjahr in Kooperation mit der Internationalen Filmhochschule Köln entstanden ist. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation über die sozialen Folgen des Zuzuges von Menschen mit Fluchterfahrung in Dormagen, sowohl aus der Perspektive der Zugezogenen als auch der Dormagener. Zu unserem großen Glück ist der Regisseur des Films bei der Vorführung anwesend und kann nach dem Film die zahlreichen Fragen zu dem Projekt beantworten, sodass sich eine lebhafte Diskussion ergibt. Abschließend erhalten wir noch eine Führung durch die anderen Räumlichkeiten, denn die Kunstfakultät bietet auch Studiengänge zum Beispiel zur Fotografie und Bildenden Künsten.
Laut Ablaufplan steht nach diesem Besuch ein Vortrag mit dem Titel „Gesellschaftliche Realitäten und Aufgaben in Israel“ auf dem Programm. Da allerdings ein Sturm mit viel Regen vorausgesagt wird, ziehen wir spontan einen Teil der für den nächsten Tag geplanten Stadtführung nach vorne und besuchen die ehemalige Deutsche Kolonie. Zwischen den mittlerweile restaurierten Gebäuden der Kolonie bekommen wir von unserem Guide Michael Schwennen umfangreiche Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen der deutschen Spuren in Israel. Auf dem Heimweg zum Hotel halten wir zudem an diversen weiteren Sehenswürdigkeiten wie dem Haus der Journalisten, dem Staatstheater und den vielen Häusern, die in der Tradition des Bauhauses erbaut worden sind. Als wir im Hotel ankommen und uns zum Abendessen zusammensetzen, sind geschlagene 12 Stunden Programm vergangen.
Nicht für alle endet der lange Tag allerdings mit dem Abendessen. Aufgrund des herannahenden Sturmes werden die für den nächsten Tag geplanten Fotoaufnahmen des ersten Kinos in Tel Aviv spontan vorgezogen und so entstehen stimmungsvolle Nachtaufnahmen des verfallenen Gebäudes.
Donnerstag, 04.01.2018
Wir besuchen heute eine Synagoge einer jüdischen Reformgemeinde von Rabbi Beit Daniel. Er redet mit sehr viel positiver Energie. Er möchte uns und seiner Gemeinde, so sagt er, vermitteln, weltoffen zu sein. 80 % des Israelischen Staates seien Juden, die restlichen 20 % israelische Araber. Die Palästinenser seien eine Minderheit geworden.
Es ist eine helle, freundliche Synagoge, ein angenehmer Ort. Wir werden mit Kaffee und selbstgebackenen Keksen begrüßt. Dort, wie er jetzt vor uns steht, steht er auch vor seiner Gemeinde und liest aus der Tora. Die Tora der Juden entspricht dem Alten Testament (5 Bücher Mose), nur wird sie in Hebräisch gelesen, nicht in Latein.
Im Anschluss geht es zu Fuß durch Tel Aviv. Wir besuchen den Rabinplatz, benannt nach dem Politiker Rabin, der an dieser Stelle ermordet wurde. Eine Kennzeichnung auf dem Boden markiert die Positionen der Ermordeten und der Angeschossenen der Gruppe.
Zum Abschluss des Tages holen wir uns im schon dunklen Tel Aviv einen Kaffee und unser Guide Michael Schwennen erzählt uns noch ein bisschen zu den Stämmen und der Geschichte Israels.
Freitag, 05.01.2018 – von Tel Aviv nach Jerusalem
Am Freitag ist frühes Aufstehen angesagt, denn wir haben unsere Zimmer in Tel Aviv zu räumen und brechen auf von der Hauptstadt in Richtung „Hauptstadt“ Jerusalem. Aufgrund der leeren Straßen kommen wir gut durch und können bereits etwas früher als angedacht unseren Guide für den Tag, Esther, treffen und mit ihr zu unserem ersten Stopp fahren, der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Obwohl dort über zwei Stunden eingeplant sind, stellen wir fest, dass diese Zeitspanne nur ausreicht, um einen ersten Eindruck des einzigartigen Museums zu erhalten. Mithilfe zutiefst berührender Zeitzeugenvideos sowie unzähliger Dokumente und Artefakte unternimmt man in Yad Vashem eine beeindruckend kuratierte Zeitreise in die Epoche des NS-Terrors in Europa.
Nachdem wir etwas Zeit gehabt haben, unsere Eindrücke zu verarbeiten, stellt uns Esther die Altstadt Jerusalems vor. Auf verwinkelten Gassen laufen wir die Via Dolorosa, also den Kreuzweg Jesu, ab, wobei Esther an jeder Station eine interessante Anekdote zu erzählen weiß. Die Führung endet in der Grabeskirche, auf deren heutigem Grund sowohl die Kreuzigung Christi als auch seine Bestattung und Auferstehung stattgefunden haben sollen. Da quasi jede Strömung des Christentums einen Teil der Kirche für sich beansprucht, sind Esthers Erklärungen erneut sehr hilfreich, um die verschiedenen Messen, Prozessionen und Rituale, die scheinbar zu jeder Tages- und Nachtzeit an verschiedenen Orten in der Kirche ablaufen, zu verstehen.
Für den Abend ist eigentlich ein Gespräch mit einem arabischen Priester geplant, das jedoch aufgrund einer Autopanne desselben entfallen muss. Seine Kirche sehen wir trotzdem. Auf dem Nachhauseweg bekommen wir es mit sintflutartigem Regen zu tun, der uns ordentlich durchnässt und dafür sorgt, dass wir den restlichen Abend in unserer Arche, dem perfekt gelegenen Österreichischen Hospiz, verbringen. Dort überwacht die freundliche Nonne Bernadette unser Abendessen, bevor wir diesen ereignisreichen Tag in gemütlicher Runde ausklingen lassen.
Samstag, 06.01.2018
Am Samstag starten wir nach einem verregneten Tag in Jerusalem einen Tagesausflug ans Tote Meer. Von ca. 750 Höhenmetern in Jerusalem fahren wir durch die trockene Landschaft bis ins Westjordanland zum niedrigsten Punkt der Erde auf dem Festland. 430 Meter unter dem Meeresspiegel liegt das Tote Meer.
Sorgen um eventuelle Überflutungen in den Talgebieten des Salzsees können schon bald nach unserem Aufbruch beiseitegelegt werden. Ein Zwischenstopp auf ca. 150 Metern unter dem Meeresspiegel: Dort können wir schon einen Blick aufs Tote Meer erhaschen und den Ausblick über die Wüstengebiete genießen.
Bei der Ankunft ist es sonnig und warm genug zum Schwimmen. Einige genießen das Treiben auf dem salzreichen See. Der Salzgehalt liegt dort im Durchschnitt bei 28 % und verhindert damit jegliches aquatisches Leben. In jedem Fall aber ist es ein besonderes Erlebnis, wenn auch Vorsicht geboten sein muss, um sich nicht an den teilweise spitzen und rutschigen Steinen zu verletzen. Trotz des Salzes in den Augen und des rutschigen schlammigen Untergrunds ist es ein sehr gelungener Vormittag.
Einen weiteren Zwischenstopp gibt es am Jordan. Dieser hat sowohl religiöse als auch politische Bedeutung. Als Grenzfluss zu Jordanien und wichtige Süßwasserquelle für beide Staaten wirkt der an dieser Stelle nur noch sehr schmale und schmutzige Fluss eher unbeeindruckend.
Bevor wir uns zurück in die Jerusalemer Altstadt begeben, setzt uns unser Busfahrer noch für ein paar Minuten auf dem Ölberg ab, um das Panorama über die Stadt genießen zu können.
Gegen Abend ziehen wir in kleinen Gruppen noch einmal los, um die Stadt weiter zu erkunden. Über das Jaffa-Tor durchs Armenisches Viertel zur Klagemauer ist unsere Route. Auch eine nächtliche Besichtigung der Grabeskirche lassen wir uns nicht nehmen. Von Samstag auf Sonntag ist diese auch nachts geöffnet. Zeremonien und Prozessionen in den unterschiedlich konfessionellen Teilen der Kirche. Der Raum ist erfüllt von verschiedenen Gesängen und Düften. Es herrscht eine ganze andere Atmosphäre als tagsüber, wenn die Touristen-Ströme hindurchfließen.
Sonntag, 07.01.2018
Der Sonntag in Jerusalem beginnt mit schönem Wetter und dem Besuch der Ma’aleh School of Television, Film & Arts. Wir werden am Eingang abgeholt und in einen Seminarraum geführt. Dort erfahren wir einiges über die Filmschule und sehen gemeinsam zwei Filme (BARRIERS und DER KLEINE DIKTATOR) von ehemaligen Schüler_innen an. Wir haben ein interessantes Gespräch mit Emanuel Cohn, dem Drehbuchautor und Hauptdarsteller des Films DER KLEINE DIKTATOR. Er stammt ursprünglich aus der Schweiz und lebt heute in Jerusalem.
Anschließend trennt sich die Gruppe auf: Ein kleiner Teil fährt nach Bethlehem und der Rest der Gruppe entscheidet sich, den größten Markt Israels – Mahane Yehuda – zu besuchen. Nach einer ausführlichen Mittags- und Kaffeepause schlendern wir wieder in Richtung Altstadt und steigen auf die alte Stadtmauer, von der aus man eine wunderbare Aussicht im Abendlicht genießen kann.
Der Tag endet mit dem Abendessen und gemütlichem Beisammensein im Österreichischen Hospiz.
Montag, 08.01.2018
Nach dem Frühstück fahren wir mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Hebrew University of Jerusalem. Ein Dozent der Filmwissenschaft führt uns über den Campus und informiert uns nicht nur über die Entstehungsgeschichte der Uni, sondern auch über die verschiedenen Menschen, die in Jerusalem leben. Die Universität ist 1925 eröffnet worden und umfasst damals nur drei Fakultäten. Dennoch sind zur Eröffnung Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen Israels (zu dieser Zeit noch britisches Mandatsgebiet) erschienen, wie das große Gemälde zeigt. Sie befindet sich auf dem Skopusberg, der eigentlich nur ein Ausläufer des berühmten Ölberges ist. Man hat also eine tolle Aussicht auf die verschiedenen Stadtteile Jerusalems. Heute studieren an der Universität Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen.
Nach einer kurzen Pause besuchen wir das Steven Spielberg Jewish Film Archive, welches sich ebenfalls auf dem Campus befindet. Es wird die letzte vorhandene Kopie von ADAMAH gezeigt. Der Film von Helmar Lerski handelt von dem Kinderdorf Ben Shemen. Nach dem zweiten Weltkrieg sind dort jüdische Kinder aufgenommen worden, die den Holocaust überlebt haben.
Am Nachmittag haben wir nochmals die Möglichkeit, uns frei in Jerusalem zu bewegen und auf dem Markt in der Altstadt Souvenirs zu kaufen. Zum Abendessen treffen wir uns alle wieder im Österreichischen Hospiz und lassen den Abend gemeinsam ausklingen.
Dienstag, 09.01.18
Nachdem wir morgens unsere Schlafsäle im Österreichischen Hospiz in Jerusalem geräumt haben, fahren wir mit einem Bus in das uns bereits bekannte Golden Beach Hotel in Tel Aviv zurück.
Mehrere Stunden können wir nun unsere Freizeit in der Stadt verbringen. Viele machen einen Ausflug über die Strandpromenade nach Old Jaffa, einem Künstlerviertel am Hafen Tel Avivs; manche mieten sich ein Fahrrad und erkunden die Stadt auf zwei Rädern.
Daraufhin treffen wir um 17 Uhr Michael Schwennen von Dialog für ein Auswertungsgespräch unserer Studienreise. Es wird offen über Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge gesprochen, in dem Bemühen, künftige Studienfahrten noch informativer zu gestalten.
Nach dem Gespräch treffen wir uns zum letzten Abendmahl in Israel.