Internationale Vortragsreihe im Rahmen der Ringvorlesung Film- und Medienästhetik
Organisation: Vertr.-Prof. Dr. Marc Siegel
Kontakt: msiegel@uni-mainz.de
Dienstags, 18:15 – 19:45 Uhr im Hörsaal der Filmwissenschaft
In der Wissenschaft hat das Detail nicht den besten Ruf. Es wird oft als zu klein, unvollständig oder bedürftig bezeichnet. Es lenkt uns von dem Wesentlichen ab, von dem Idealen oder dem Universellen. Das Wichtigste liegt ja angeblich woanders. Verlier Dich nicht in den Einzelheiten. Die Literaturwissenschaftlerin Naomi Schor hat bekanntlich eine ablehnende Haltung gegenüber dem Detail mit der Unterbewertung des Weiblichen in Zusammenhang gebracht. "Is the detail feminine?" fragt sie auf der ersten Seite ihres bahnbrechenden Buches Reading in Detail: Aesthetics and the Feminine (1987). Die Antwort ihres Buches lautet mehr oder weniger "ja." Schor verweist auf Poststrukturalismus und vor allem auf die Arbeit von Roland Barthes zum "Punktum" und "stumpfen Sinn", um eine mögliche geschlechtsneutrale Umwertung des Details zu finden. Wie steht es Heute? Die Frage nach dem Geschlecht des Details ist nur eine von vielen Möglichkeiten, sich dem Thema der Ringvorlesung zu nähern. Welche Rolle spielt das Detail im wissenschaftlichen Diskurs? Welche Details sind für die Filmanalyse von Relevanz? Was gilt als filmisches Detail? Welchen Status hat das Detail in der gegenwärtigen Ästhetik? Welche Einzelheiten werden hervorgehoben und warum? Wieviele Details sind zu viel? Gemeinsam mit einer interdisziplinären Gruppe von Wissenschaftler*innen werden wir uns im Laufe der Ringvorlesung im Detail verlieren, um hoffentlich seinen wohlverdienten und unersetzlichen Platz in der Wissenschaft gerecht zu werden.
Programm
15.10.2019 // Ann-Christin Eikenbusch (Mainz): Mit Liebe zum Detail. Einzelheiten des cinéphilen Diskurses
Gerade im Umfeld der klassischen Cinéphilie der 1950er bis 1970er Jahre ging die Liebe zum Film Hand in Hand mit einer großen Liebe zum Detail. In verschiedenen ‚Schulen des Sehens’, in Filmclubs, Filmmagazinen und Ausstellungen, wurde solch ein besonderes ‚Auge für’s Detail’ ausgebildet, welches vor allem dazu befähigen sollte, die eigene Passion für den Film und seine Autor*innen zu teilen sowie die jeweilige künstlerische Strategie als Stil zu vermitteln. Durch das Fokussieren einzelner, privilegierter Momente oder kleiner, teils unbedeutend erscheinender Einzelheiten der Mise-en-scène – Gesten, Blicke, Bewegungen oder Dinge – suchten die Filmkritiker*innen einzelne Partikel des filmischen Bildes in der Art einer Großaufnahme schriftlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Warum nun das Detail sich dazu eignet, leidenschaftliche Überlegungen zum Film und zu seiner medialen Spezifik anzustellen, wird im Vortrag zu erörtern sein.
Ann-Christin Eikenbusch studierte von 2011-2016 Filmwissenschaft und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie absolvierte verschiedene redaktionelle wie kuratorische Praktika, u.a. am Deutschen Filminstitut (DIF) in Frankfurt am Main. 2014/15 arbeitete sie als kuratorische Assistenz im Bereich Kostümbild der Ausstellung Fassbinder – JETZT im Martin-Gropius-Bau, Berlin. In ihrer Masterabschlussarbeit beschäftigte sie sich mit den Formen audiovisueller Ich-Erzählungen im Werk von Jonas Mekas. Seit 2016 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Filmwissenschaft/Mediendramaturgie tätig und untersucht in ihrer Dissertation Werk und Wirkung der Filmkritikerin, Filmhistorikerin und Filmvermittlerin Lotte H. Eisner im Spiegel der klassischen Cinéphilie zwischen Deutschland und Frankreich.
22.10.2019 // Jakob Larisch (Mainz): Zeigen oder Nicht-Zeigen: Gewaltverharmlosung durch Detailvermeidung
Seit den 1980er-Jahren habe sich die Quantität der Darstellung von Gewalt in populären Filmen nahezu verdreifacht; zu diesem Schluss kommt eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2017. Eine solche Implikation kollidiert jedoch scheinbar mit dem ökonomisch motivierten Aufkommen regelrechter Vermeidungsstrategien hinsichtlich einer expliziten filmischen Präsentation von Gewalt und deren Folgen im Detail, die sich in den letzten Jahren im Blockbusterkino herausgebildet haben und dabei in ihrer Charakteristik fast schon an Darstellungskonventionen des Production Code zu Zeiten des Classical Hollywood erinnern. Der Vortrag untersucht die Hintergründe dieser Entwicklung und stellt anhand konkreter Beispiele die Frage, wie sich das gesellschaftliche Bild von Gewalt sowie ihrer destruktiven Auswirkungen dadurch verändert.
Jakob Larisch studierte von 2010 bis 2016 Filmwissenschaft und Politikwissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Währenddessen arbeitete er als wissenschaftliche Hilfskraft und leitete seminarbegleitende Tutorien zur Filmanalyse sowie zur Filmtheorie. Seit April 2016 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft tätig und promoviert aktuell zum Thema Die politischen Hintergründe filmischer Gewaltdarstellung im Spannungsfeld von Kunstfreiheit und deren rechtlicher Beschränkung.
29.10.2019 // Verena Mund (Frankfurt): Neue Ellbogenwelt. Maße und Ausmaße von Theken
In der Nach-68er-Ära konstatiert ein Germanist in der Auflösung der bürgerlichen Sitzordnung an Theken von Berliner Studentenkneipen eine sich fortsetzende Entpolitisierung. Rund 50 Jahre zuvor war der Gang in die Bar und vor allem der Aufenthalt an der Theke für weite Teile der Bevölkerung in Deutschland wie in den USA als Befreiung und Zeichen gesellschaftlicher Teilhabe zelebriert worden. Zu eben dieser Zeit veröffentlichte Vicki Baum ihren Roman Menschen im Hotel, in dem die Protagonist*innen das Treiben an der Theke noch lediglich aus der Ferne beobachten. In der fast zeitgleichen amerikanischen Verfilmung findet der politische Höhepunkt der Geschichte dann aber nicht am Tisch, sondern an der selbst für amerikanische Verhältnisse irritierend hohen Theke statt – ein Höhenunterschied, der sich nur im Kontext einer ganzen Reihe von Unterscheidungen verstehen lässt.
Nach Beschäftigungen an verschiedenen internationalen Universitäten, Museen und Filmfestivals arbeitet Verena Mund seit 2014 am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe Universität – Frankfurt am Mainz. Im Januar 2018 verteidigte sie ihre Dissertation (Frauen vor Ort. Brücke, Switchboard, Theke) am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zur Zeit arbeitet sie als Koordinatorin des Graduiertenkollegs Konfigurationen des Films an der Goethe Universität.
05.11.2019 // Simone Pfeifer (Mainz): Soziale Medienpraktiken im transnationalen Alltag: Zur Verbindung von Detail und Kontext in der medienethnografischen Forschung
In diesem Vortrag nähere ich mich dem Detail aus medienethnografischer Perspektive. Bereits in der fotografischen und filmischen Zusammenarbeit der beiden bekannten Ethnolog*innen Margaret Mead und Gregory Bateson in Bali wurde das Spannungsverhältnis zwischen der detailreichen schriftlichen und audio-visuellen Beschreibung des Alltags und der Ordnung und Kategorisierung dieser Details innerhalb größerer Zusammenhänge deutlich. Während es für Mead und Bateson unter anderem um gründliche objektive Beschreibung und wissenschaftliche Generalisierbarkeit ging, stellt sich für aktuelle medienethnografische Forschung auch die Frage danach, wer etwas wann als Detail einordnet, welchen Stellenwert dem Detail wann und vom wem zugeschrieben wird und in welchem Bezug das Detail zu anderen ‚Größen‘ und dem Kontext steht. Es geht damit auch um die Veränderlichkeit des Details in zeitlicher Perspektive. Anhand meiner Arbeit zu transnationalen sozialen Medienpraktiken zwischen Deutschland und Senegal gehe ich auf die Bedeutung des Details für die medienethnografische Forschung ein. Dabei reflektiere ich auch wie der Blick im ethnografischen Forschungsprozess durch kollaborative Praxis mit den Forschungsteilnehmer*innen auf spezifische Einzelheiten gelenkt wird. Häufig können erst im Verlauf des Forschungsprozesses, in weiteren Gesprächen mit Forschungsteilnehmer*innen und der analytischen und interpretativen Auseinandersetzung mit den Details, deren Stellenwert und Bedeutung herausgearbeitet werden.
Simone Pfeifer ist Visuelle Anthropologin und Medienethnologin. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Dschihadismus im Internet: Die Gestaltung von Bildern und Videos, ihre Aneignung und Verbreitung“ am Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie promovierte an der Universität zu Köln zu sozialen Beziehungen und Medienpraktiken im transnationalen Alltag von Senegales*innen in Berlin und Dakar. In ihrem neuen Forschungsprojekt zur Zirkulation und Aneignung islamischer und islamistischer Videos und Bilder in sozialen Medien, fokussiert sie vor allem auf die geschlechtsspezifische und affektive Aneignung dieser Bilder und den Bezug zu anti-muslimischem Rassismus.
12.11.2019 // Kristina Köhler (Mainz): Vom Flattern eines Schals. Mikro-Texturen der Bewegung im Film
In den 1890er Jahren vertieft sich der Kunsthistoriker Aby Warburg in die Renaissance-Malerei und beschreibt mit großer Akribie, wie flatternde Schleier, vom Wind aufgewühlte Haare und der Faltenwurf eines Kleids Bewegungseffekte herstellen, wo eigentlich keine Bewegung ist – im unbewegten Bild der Malerei. Mit dem Film entsteht zur gleichen Zeit ein Medium, das sich der Darstellung und Erfahrbarkeit von Bewegung unter ganz neuen Vorzeichen widmet. Der Vortrag fragt danach, wie sich das Kino Ikonographie und Gestus des «bewegten Beiwerks» aneignet, diese bearbeitet und verschiebt. Bewegtes Beiwerk (noch ganz nah an Warburgs Idee) lässt sich etwa in den bewegten Schleiern, Haaren und Blättern des frühen Kinos finden. Auch in Hollywood-Filmen der 1930er und 1940er Jahre, die Gesicht und Körper, Kostüm und Accessoires auf auffällige Weise in Spannung zueinander bringen, entfaltet sich ein ähnliches Verhältnis von Körper und Umraum, von Zentrierung und Dezentrierung, von Sujet und Detail. Tatsächlich wirken bewegte Details in diesen Filmen häufig als Irritationsmoment – sie durchkreuzen klassische Bildachsen und stellen alternative Kompositionsstrukturen her, die den Blick ablenken und dezentrieren. Welche Blick- und Bildstrukturen entstehen etwa, wenn wir bei der Großaufnahme von Marlene Dietrichs Gesicht auf die Härchen ihres Pelzkragens achten, die durch ihren Atem in Bewegung geraten? Und was, wenn das kaum merkliche Zittern einer Figur erst über das Vibrieren ihres Tüllschals wahrnehmbar wird? Formen eines bewegten Beiwerks, so die These, stiften produktive Spannungen – nicht nur im Filmbild selbst, sondern auch in der Filmtheorie. So lassen sich viele der geläufigen Positionen zu Star, Fetisch und Großaufnahme über den Blick auf die bewegten Details kritisch hinterfragen.
Kristina Köhler ist Juniorprofessorin für Filmwissenschaft am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mitherausgeberin der Film-Konzepte und der Zeitschrift Montage AV. Studium der Medien-, Film- und Theaterwissenschaften in Brüssel, Weimar und Lyon. Zwischen 2008 und 2017 zunächst wissenschaftliche Assistentin, dann Oberassistentin am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich; 2016 Promotion mit der Arbeit „Der tänzerische Film. Frühe Filmkultur und moderner Tanz“ (Schüren 2017). Forschungsaufenthalte, u.a. an der University of California Berkeley, Universität der Künste Berlin, Universität Wien und der Yale University. Forschungsschwerpunkte: Filmgeschichte, Theorie- und Wissensgeschichte des Films, Körperkulturen der Moderne, Medienarchäologie, Medienwandel.
19.11.2019 // Kerim Dogruel (Frankfurt): Glasdeckchen
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Kerim Dogruel (M.A.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main. In seinem Promotionsprojekt forscht er zur Ästhetik von Medientechnologien mit transparenten Gehäusen. Weitere Lehr- und Forschungsinteressen umfassen die Geschichte und Theorie von Animation, Archiv- und Ausstellungspraktiken sowie Game Studies.
26.11.2019 // Pierre Eugène (Paris): The Crumbled Fictions of Jean-Claude Biette
Jean-Claude Biette [1942-2003], little-known French critic and filmmaker, was a close friend of Serge Daney and an assistant of Pier Paolo Pasolini. Between 1977 and 2003, he directed seven feature films which have in common a peculiar narrative structure based on a myriad of sparkling details that construct a cryptic and deep network of meaning evoking Raymond Roussel or Lewis Caroll. Biette invented a fictional world where only details count, where the words, the things, the events and the characters intermingle and seem to obey a strange logic, challenging ideas of totality and rationality. These films propose a new spectatorial pleasure based on the attention to details and consequently – as Serge Daney put it in 1977 – « a new kind of spectator ».
Pierre Eugène has a Phd in Cinema Studies from the University of Picardie Jules Verne (Amiens), where he completed a dissertation on the work and life of Serge Daney between 1962-1983. His research focuses mainly on French criticism and film aesthetics. He co-edited Jean-Claude Biette – appunti & contrappunti (édition De L’incidence, 2018) and assisted with the recent publication of André Bazin's complete writings (Écrits complets, éditions Macula, 2018). He publishes regularly in Trafic and is preparing a book on the film Femmes femmes (Paul Vecchiali, 1974). He teaches cinema studies at the University of Paris-Nanterre and is currently programmer of the film section at the Festival of Art History (Fontainebleau).
03.12. 2019 // Cecila Valenti (Mainz): Das mortifizierende Detail im politischen Essayfilm – Eine feministische Relektüre
Das Detail trägt den Schnitt etymologisch in sich: Im französischen Wort „détail“ oder in seinem italienischen Äquivalent „dettaglio“ wird das Fragmentieren in Einzelteile („tailler“/„tagliare“) angedeutet. Mein Beitrag baut auf dieser ersten Definition des Wortes auf und nimmt die filmische Operation des Detaillierens – des Auftrennens, Abtrennens und Heraustrennens – in den Blick. Ein wiederkehrendes Schnittmuster im männer-dominierten, politischen Essayfilm der Sechziger und Siebziger Jahre steht dabei auf dem Prüfstand, eines, das vorgefundene Werbe- und Warenbilder zur modernen Frau versammelt: Dabei wird der weibliche Körper entweder vor Details überbordend, überfeminisiert oder detailarm, als nacktes Fleisch durch Zoom-In anatomisch seziert. Hier lässt sich der Schnitt auf ein körperlich weibliches Detail unter dem Aspekt der Mortifikation – eine paradoxe Mortifikation von bereits Totem – problematisieren: Hat der zur selben Zeit entstandene feministisch-militante Dokumentarfilm weitere Figuren des Details mit sich gebracht, die den mortifizierenden Blick auf das Detail verlebendigen und sogar gegen diesen Blick opponieren?
Cecilia Valenti ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft (FTMK) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen politische Fernsehästhetik, militanter Dokumentarfilm und feministische Theorie. Sie ist Mitherausgeberin des Buchs Spuren eines Dritten Kinos. Zu Ästhetik, Politik, Ökonomie des World Cinema (2013). Zuletzt erschienen von ihr: Das Amorphe im Medialen. Zur politischen Fernsehästhetik im italienischen Sendeformat »Blob« (2019). Seit 2009 ist sie Teil des Filmkollektivs The Canine Condition und organisiert Filmreihe in Berlin, Frankfurt, Nürnberg, Wien und London.
10.12.2019 Ayşe Güleç (Kassel): Die Politiken des Details im Film
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Ayşe Güleç ist Pädagogin, Autorin und forschende Aktivistin an den Schnittstellen Anti-Rassismus, Migration, Kunst, Kunstvermittlung. Von 2015 - 2017 war sie Mitarbeiterin der documenta 14 als Communitiy Liasion in der Abteilung des künstlerischen Leiters. Von 2018 - 2019 leitete sie die Kunstvermittlung im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt a.M. Sie war Teil der kollektiven Bewegung NSU-Komplex auflösen und war an der Vorbereitung und Koordinierung des Tribunals NSU-Komplex auflösen beteiligt, dass im Mai 2017 in Köln stattfand. Von 1998 - 2016 war sie im Kulturzentrum Schlachthof Kassel für die Entwicklung, Leitung und Durchführung von (inter-)kulturellen-ästhetischen Aktivitäten, Bildungsangeboten und für lokale, regionale und europäische Vernetzungsarbeit verantwortlich. Für die documenta 12 entwickelte sie den documenta 12 - Beirat zur Entwicklung und Verknüpfung mit Einzelpersonen und Gruppen in Kassel und wurde in Folge dessen die Sprecherin. Sie wurde Mitglied der Maybe Education der documenta 13 und bildete eine Gruppe von Kunstvermittler*innen aus.
17.12.2019 // Giovanna Zapperi (Tours): From Acting to Action: Some Notes on Curating an Exhibition on Delphine Seyrig, Feminism, and Video.
This lecture is an attempt to examine the complexities of curating a feminist exhibition, focusing on my experience as a curator of Defiant Muses. Delphine Seyrig and feminist video collectives in France in the 1970s and 1980s. This exhibition is an attempt to map Seyrig’s network of creative and political alliances across the fields of cinema, early video and politics. At the same time, it considers the relation between art, life, and politics as a constitutive dimension of 1970s feminism by addressing the continuum Seyrig inhabited: from the auteur cinema in which she was actress and muse, to the disobedient practices in which she was video maker, actress, and activist.
Giovanna Zapperi is Professor for the History of Contemporary Art at Université de Tours. Her latest book examines the art criticism and political writings of radical Italian feminist Carla Lonzi (Carla Lonzi. Un’arte della vita, Rome 2017, trad. fr. Dijon 2018). Together with Nataša Petrešin-Bachelez she has recently curated the exbibition Musas Insumisas / Defiant Muses at Museo Reina Sofia in Madrid.
07.01.2020 // Chloé Galibert-Laîné (Mainz): Investigating Online Forensickness
According to Jason Mittell, in order to thrive in the online environment, media need not only be « spreadable » but also « drillable ». The interactive possibilities afforded by new media technologies have indeed promoted new forms of « forensic » spectatorship (Mittell 2013) of both old and new media. This mode of spectatorship has been illustrated in two recent found footage documentaries, made of material produced by the members of two differently gendered online communities: female YouTubers in The Pain of Others (Penny Lane, 2018) and (mostly) male redditors in Watching the Detectives (Chris Kennedy, 2017). In both these communities, however by different means and to different ends, knowledge is produced by scrutinizing images. How do the two filmmakers document this contemporary passion for media drilling? And to what extent do their films in turn invite, or resist this mode of spectatorship? I will address these questions as I present elements from an ongoing videographic project, in which I reflect upon my own spectatorial experiences as I watched and researched these two films.
Chloé Galibert-Laîné is a French filmmaker and researcher. She is preparing a research-creation PhD on « netnographic cinema » at the doctoral program SACRe (École normale supérieure de Paris / PSL University), and is currently a visiting PhD student at the University Johannes Gutenberg in Mainz. Her research explores questions related to modes of spectatorship, mediated memory and gestures of appropriation in cinema and online media. Her video work is regularly screened and awarded at international art and film festivals.
14.01.2020 // Anja Dreschke (Düsseldorf): Petit à petit. Zum Detailwissen ethnografischer Bildproduktion
Ethnolog*innen müssen sich oft den Vorwurf gefallen lassen, zu kleinteilig zu arbeiten und sich in lokalen Details zu verlieren, anstatt zur Theoriebildung beizutragen. Dies gilt in besonderem Maße für die ethnografische Bildproduktion, die sich der detailgenauen Beobachtung von Alltagshandlungen oder religiöser Rituale widmet. Am Beispiel meiner aktuellen ethnografischen Forschungen zur Medialisierung ekstatischer Praktiken möchte ich der Frage nachgehen, wie ethnografisches Detailwissen aus dem Bereich der audiovisuellen Anthropologie auf lokale Wissensproduktionen ›zurückwirkt‹. Wie werden ethnografische Filme und Fotografien von den Gesellschaften (wieder)angeeignet, in denen sie aufgenommen wurden? Und wie können (Bewegt)Bilder in Aushandlungsprozessen um cultural heritage rights zu wichtigen Ressourcen werden können?
Anja Dreschke ist Ethnologin, Filmemacherin und Kuratorin. Ihre Forschungsinteressen und Veröffentlichungen liegen im Bereich von audiovisueller Anthropologie und Medienethnologie mit Schwerpunkt auf der Theorie und Praxis audiovisueller Medien an der Schnittstelle von experimenteller Ethnografie, essayistischem Film und künstlerischer Forschung. Sie promovierte mit einer Arbeit zum Thema Kölner Stämme. Medienethnografie einer mimetischen Kultur an der Universität Siegen. Als Teil ihrer Dissertation entstand der ethnografische Kinodokumentarfilm Die Stämme von Köln (2011, 90’). Von 2007 bis 2017 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Siegen und von 2017 bis 2019 am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2000 arbeitet sie als Kuratorin und Autorin im Bereich von Ethnologie, Film und Kunst für Filmfestivals, Museen und andere Kulturinstitutionen sowie für den WDR-Hörfunk.
21.01.2020 // Mita Banerjee (Mainz): Der Wasserhahn als Detail? Wasser als Menschenrecht in Michael Moores Fahrenheit 9/11 und der Netflix-Serie Goliath
Am Ende des amerikanischen Films The Cherokee Word for Water (dir. Charlie Soap/Tim Kelly, 2014), nachdem der Abspann bereits vorbei ist, zoomt die Kamera an ein kleines Detail heran: In Großaufnahme sehen wir einen glänzend polierten Wasserhahn; eine Frau mit einem Baby auf dem Arm dreht den Hahn auf, und kühles, klares Wasser sprudelt in ein bereitgestelltes Glas. Die Hintergrundmusik suggeriert Freude, gar Triumph. In der Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts, so könnte man behaupten, kommt Wasser gar nicht vor. Zwar ist es Teil von Landschaftsaufnahmen von reißenden Flüssen und tiefblauen Ozeanen, aber das Detail alltäglichen Trinkwassers wäre zu selbstverständlich, als dass es eigens erwähnenswert wäre. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts aber steht Wasser plötzlich im Zentrum der visuellen und narrative Betrachtung. Zu einer Zeit, in der die UN das Recht auf unverschmutztes Trinkwasser als Menschenrecht deklariert, steht Wasser – und die scheinbare Trivialität eines Wasserhahns, den es nur aufzudrehen bedarf – im Zentrum einer Debatte um soziale und ökonomische Benachteiligung. In Filmen wie Michael Moores Fahrenheit 9/11 oder der Netflix-Serie Goliath ist Wasser vom trivialen Detail zum eigentlichen Thema geworden.
Mita Banerjee is Professor of American Studies at the University of Mainz. In her research, she has explored issues of citizenship and naturalization (Color Me White: Naturalism/Naturalization in American Literature, 2013), as well as the role of indigenous communities in their quest for sovereignty. More recently, she has explored the promise of American democracy in its relevance not only for political participation, but also for medical care and health equity (Medical Humanities in American Studies, 2018). She is co-speaker of the research training group “Life Sciences, Life Writing: Boundary Experiences of Human Life between Biomedical Explanation and Lived Experience,” which is funded by the German Research Foundation.
28.01.2020 // Juan A. Suárez (Murcia): Glitter and Queer Corporeality
This talk will take a look at the use of glitter in (mostly) the 1960s and 1970s queer avant-garde. It will outline the history of this material, its circulation in avant-garde artistic milieus, and its use in films, performances and installations by such artists as Jack Smith, Thomas Lanigan-Schmidt, Steven Varble, Steven Arnold, Carolee Schneeman, Teo Hernández, Stephane Martí, Klonaris and Thomadaki, Carles Comas, and Iván Zulueta, among others. The talk will explore the varied affects attaching to glitter in these works, the odd corporealities it conveys, and the conceptual underpinnings of its use.
Juan A. Suárez teaches at the University of Murcia. He is the author of the books Bike Boys, Drag Queens and Superstars and Pop Modernism, among others. Recent essays have appeared or are forthcoming in Criticism, Screen, L'Atalante, Dirty Looks, and Journal of Cinema and Media Studies, and in edited collections such as The Music and Sound of Experimental Film, eds. Rogers and Barham, The Blackwell Companion to Experimental Film, ed. Windhausen, and The Oxford Handbook of Queer Cinema, eds. Gregg and Villarejo.
04.02.2002 // Jonas Mekas Lecture Maya Deren Lecture mit club des femmes (London): "... learning at Greenham": Transmitting Feminist Granularity in Activist Film Curation
Linking hands with our sisters at the Greenham Common Women’s Peace Camp (1981-2000) with a film screening of Amanda Richardson and Beeban Kidron’s definitional documentary Carry Greenham Home (1983), Club des Femmes explore their ethics of practice in curating histories of queer feminist moving image in the detail of protest, counter-archives and collective continuity.
Club des Femmes are a queer feminist collective founded in 2007 by Sarah Wood and Selina Robertson. We curate film screenings and events. Our mission is to offer a freed-up space for the re-examination of ideas through art. In the age of the sound-bite, Club des Femmes is a much-needed open platform for more radical contextualisation and forward-looking future vision: chance to look beyond the mainstream. In 2018, Club des Femmes and the Independent Cinema Office co-curated Revolt, She Said: Women and Film after ’68, a BFI funded national film tour that offered a queer feminist response to the 50th anniversary of May ’68.
So Mayer is a writer, bookseller and activist. Their publications include Political Animals: The New Feminist Cinema, and The Cinema of Sally Potter: A Politics of Love. They are a regular contributor to cléo, Sight & Sound and Literal, and work with Club des Femmes and Raising Films.
Selina Robertson is a freelance film programmer and writer who works part time at the Independent Cinema Office. She is PhD candidate at Birkbeck College researching through a creative critical practice a cultural history of London’s feminist film exhibition practices of the 1980s.
05.02.2020 // Screening mit club des femmes
Carry Greenham Home (Biban Kidron/Amanda Richardson, UK 1983)
Ort und Zeit: Kino CinéMayence im Institut français (Schillerstraße 11, 55116 Mainz), Beginn: 20:30 Uhr